Exotische Tiere zu fangen, stellt eine große Herausforderung dar und so erteilt der Erzähler des Deutschen Bilderbogens Nr. 139, den R. Schönborn zeichnete und dessen Text von Paul Rüthling stammt,[1] seinen Lesern humoristisch Tipps zum Thierfang in Afrika.
Anders als die bisher untersuchten Bogen steht Der Thierfang in Afrika. stellvertretend für jene Bogenstrukturen, die viele Panels verwenden, von denen aber nur wenige sequenziell ausfallen, denn Schönborns Sequenzen beziehen sich immer nur auf zwei aufeinanderfolgende Panels, in denen der Fang einer Spezies dokumentiert wird; es erfolgt ein Szenenwechsel, ein anderes Tier (ein Nilpferd, Tiger, Gnu, Nashorn, Krokodil sowie ein Elefant) steht im Mittelpunkt der Jagd und die jeweils anzuwendende Fangmethode wird erläutert.
12 sich selbst begrenzende, rahmenlose Panels werden von einem Text begleitet, der unter dem jeweiligen Bild steht und ohne Textkasten auskommt. In Versform wird der Bildinhalt erklärt und die Bildpaare miteinander in Beziehung gesetzt, denn der Zusammenhang der Bildpaare ist ohne textliche Erläuterung nicht sofort erkennbar – lediglich die Jagdszenen vor afrikanischer Landschaft lassen auf bildlicher Ebene einen Zusammenhang erkennen. Die Folgende Tabelle gibt Auskunft über die Struktur des Bogens und seine Inhalte.
Analysetabelle anzeigen …Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 139: Der Thierfang in Afrika. | |
Panel 1 | Text (T): „Sperlinge sind leicht zu fangen, streut man Salz nur auf den Schwanz, / Doch ein Nilpferd zu erlangen, das ist schwer, und Niemand kann’s. / Ich häng‘ hoch auf schmalem Pfade ein dreispitzig Eisen auf, / Nämlich wenn das Nilpferd grade dahin richtet seinen Lauf.“
Bild (B): Im Hintergrund sind Pyramiden zu erkennen, dass Nilpferd steht in einem Waldstück. Vor ihm, an einem Ast befestigt, befindet sich die tödliche Waffe: Ein Seil, an dessen Ende ein Dreispitz befestigt ist, wird mit Hilfe zweier Rollen (eine an einem Ast und eine am Baumstamm befestigt) fixiert. Fokus (F): Falle. Bildmittelpunkt (BM): Kopf des Nilpferds. Perspektive (P): Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung. |
Panel 2 | T: „Sieht das Unthier nun gesperrt seinen Weg mit einem Seil, / Stutzt es anfänglich und zerret dann daran aus Langeweil; / Schwabb! gleich fällt der Nasenklemmer auf den Kopf ihm, hält es fest, / Bis man dann durch Schmiedehämmer gibt dem dicken Wanst den Rest.“
B: Der Blick des Rezipienten fällt nun in den Wald, d. h. die Pyramiden sind nicht mehr zu erkennen. Das Nilpferd liegt tot auf dem Boden, sein Kopf wurde von der tödlichen Apparatur durchbohrt. F: Gefangenes Nilpferd. BM: Nilpferd. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Szene zu Szene. |
Panel 3 | T: „Eine praktische Methode ferner für den Tigerfang / Fand mein Diener, und die Mode ist noch heute sehr in Schwang. [sic!] / Man streut auf den Weg viel Blätter, dick mit Vogelleim beschmiert, / Wo der Tiger bei schön Wetter Abends gern vorbei spaziert.“
B: Ein alter Mann mit weißem Bart, Turban und Brille hockt an einer Palme und bestreicht Blätter mit Vogelleim. Links neben der Palme befindet sich ein undefinierbares, anthropomorphes Wesen (vermutlich der zweite Mann aus Panel 4). Ein Tiger streift durch den Dschungel – an ihm kleben bereits Blätter. F: Alter Mann mit Turban. BM: Eine Pflanze. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Gegenstand zu Gegenstand. |
Panel 4 | T: „Jedes Blatt klebt nun den Schlingeln fest an Schnauze, Haar und Bein; / Wie sie sträuben sich und ringeln, Ueben nur noch mehr sich ein. / Immer größ’re Angst bemeistert sich des Thieres wie noch nie, / Bis es endlich ganz bekleistert willig folgt zur Menag‘rie.“
B: Ein Mann (Links) mit Zylinder, Flinte und Stock tritt den Tiger, dieser geht mit eingezogenem Schwanz vor ihm her und der alte Mann mit Turban hält das Tier an seinem Halsband fest. F: Mann mit Flinte und Stock (Links). BM: Rücken des Tigers. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Szene zu Szene. |
Panel 5 | T: „Auch der Fang des Gnu’s erfreuet, wenn man kreuz und quer, zick-zack, / Auf der Thiere Weideplatz streuet kleine Häufchen Schnupftaback. / Kommt das Gnu nun auf die Wiese, und riecht an dem Doppelmops, / Niest es an der starken Priese, macht erschreckt ’nen großen Hops.“
B: Ein Gnu steht auf einer Wiese und niest in einen Busch. Im Hintergrund sind Berge zu erkennen. F: Gnu. BM: Gnu. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Gegenstand zu Gegenstand. |
Panel 6 | T: „Ganz verblüfft flieht es nun weiter, riecht am nächsten Busch, doch wie? / Hier auch duften alle Kräuter nach ‚Eptschi, Eptschi, Eptschi! !‘ / Wenn vom Nieskrampf ganz betäubt, kommt der Jäger hintendrein, / Fängt das Gnu, ohn‘ daß sich’s sträubet, ‚Prosit!‘ und dann sperrt er’s ein.“
B: Ein nach rassistischen Klischees gezeichneter Afrikaner trägt ein Beil über der Schulter und führt das gefangene und vom Nieskrampf lädierte Gnu an einer Leine mit sich. F: Kopf des Afrikaners. BM: Kopf des Gnus. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Szene zu Szene. |
Panel 7 | T: „Sehr gefährlich zu erlegen ist das Nashorn wild und groß. / Erst muß man ihm grob begegnen, wüthend stürzt es dann drauf los. / Jetzt muß man durch Flucht sich retten hinter einen Baum, denn vorn / Bohrt das Beest, d’rauf will ich wetten, in den Stamm sein starkes Horn.“
B: Der Jäger läuft vor einem Nashorn davon. In einer Hand hält er einen Stab, in der anderen einen Schraubenschlüssel. F: Mann mit Schraubenschlüssel. BM: Nashorn. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung. |
Panel 8 | T: „Weil das spitze Horn wir Butter selbst den harten Stamm durchstößt, / Steckt man eine Schraubenmutter schnell daran und schraubt sie fest. / Sieht das Nashorn sich gefangen, und begreift nicht wie das kam, / Läst es bald die Flügel hangen, und durch Hunger wird’s dann zahm.“
B: Das Horn des Nashorns steckt in einem Baum und der Jäger fixiert das Tier mit Hilfe eines Schraubenschlüssels und einer Mutter. F: Mann mit Werkzeug. BM: Nashorn. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Szene zu Szene. |
Panel 9 | T: „Doch sehr sinnreich ist vor allen auch mein Krokodilenfang, / Patentirt sind meine Fallen in Egypten lebenslang. / An zwei Ketten sind Gewichte, auch ein Balken hängt daran; Und zum leck’ren Schaugewichte noch ein schwarzer Hampelmann.“
B: Drei Baumstämme, an denen eine Art Hebevorrichtung befestigt ist, stehen im Dreieck aneinander. Zwischen zwei Stämmen hängt ein, an Ketten angebrachter Balken. Oben am Stamm (links im Bild) befindet sich ein Gewicht. Ein Fetisch in Form eines Hampelmanns hängt am mittleren Baumstamm. Ein Krokodil liegt auf dem Balken und betrachtet neugierig das Kunstobjekt. F: Gewicht. BM: Leer. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Gegenstand zu Gegenstand. |
Panel 10 | T: „Kommt das Thier nun aus den Flüssen, sieht die Lockpfeif‘ hängen dort, / Schnappt es nach dem fetten Bissen, zerrt am Negerlein sofort. / Bums! liegt das Gewicht im Grase, fliegt der Balken in die Luft, / Hampelmann macht ihm ’ne Nase, und das Thier denkt: ‚O du Schuft!‘“
B: Die Perspektive wechselt. Man befindet sich nun zwischen dem rechten und dem mittleren Baum. Das Gewicht befindet sich nun auf dem Boden – das Krokodil hingegen liegt auf dem in die Höhe gezogenen Balken. Auf dem Boden liegend verhöhnt der Fetisch das gefangene Tier. F: Entsetztes Krokodil. BM: Krokodil (Schnauze). P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Szene zu Szene. |
Panel 11 | T: „Elephant zu bethören grabe ich ein Wasserloch, / Heimlich münden drin zwei Röhren einer Eismaschine noch. / Trinkt der Elephant, so mache ich das Wasser schnell zu Eis, / Laß den Rüssel in der Lache einfrier’n, ehe er es weiß.“
B: Ein Elefant trinkt aus einem Wasserloch. Neben und hinter ihm befinden sich Palmen. F: Elefant. BM: Elefant. P: Augenhöhe. |
Indmeth. | Von Handlung zu Handlung. |
Panel 12 | T: „Dann befreie ich den Dicken, stell‘ mich wartend vor ihn hin, / Und mit thränenfeuchten Blicken danket mir sein Edelsinn. / Ich kurier‘ ihm auch den Schnupfen mit Extract von E. Löfflund, / Dann thut er vor Freude hupfen, folgt mir treulich wie ein Hund.
Paul Rüthling.“
B: Der Rüssel des Elefanten steckt in einer kleinen Eisscholle, der Jäger steht mit einer Spitzhacke neben dem Tier. F: Elefant. BM: Elefant. P: Augenhöhe. |
Panel- und Narrationsgruppen fallen, ob der der Struktur des Bogens, identisch aus: Panel 1 und 2, 3 und 4, 5 und 6, 7 und 8, 9 und 10 sowie 11 und 12 bilden jeweils Panel- / Narrationsgruppen, d. h. die Handlung der Erzählung sowie die abgebildete Bewegung erstreckt sich jeweils nur auf zwei aufeinanderfolgenden Panels – es werden die Induktionsmethoden Von Handlung zu Handlung und Von Gegenstand zu Gegenstand verwendet – während die Übergänge zwischen den jeweiligen Zweierpaaren auf Von Szene zu Szene beruhen. Der Szenenzusammenhang wird darüber hinaus lediglich durch die Rahmenhandlung hergestellt, d. h. auf rein bildlicher Ebene erfolgt er größtenteils assoziativ, denn jede Tierart wird von einem anderen Jäger gefangen (Panel 1, 2, 9 und 10 zeigt zudem nur die Falle selbst, nicht aber den Jäger). Trotz des losen Zusammenhangs der sechs Bilderpaare untereinander unterscheidet sich der Bogen elementar von ähnlich strukturierten Blättern wie etwa Die Angler (Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 94.).[2]
Bei der durchgehend verwendeten Perspektive des Bogens handelt es sich um Auf Augenhöhe – einzig der Blickwinkel ändert sich kontinuierlich, der Handlungsort bleibt jedoch auf dem afrikanischen Kontinent. Die Zeichnungen nehmen auf der McCloud-Realismusskala verschiedene Bereiche ein. Werden etwa Menschen abgebildet, befindet man sich zwischen 51 und 57, bei Tieren zwischen 60 – 63 und 79 – 84, die Hintergründe sind als realistisch zu beschreiben.Der Bogen orientiert sich an der westlichen Leserichtung. Der Text verhält sich zum Bild größtenteils gedoppelt, d. h. es wird textlich der Bildinhalt beschrieben und nur an wenigen Stellen Informationen auf textlicher Ebene hinzugefügt.
Belege:
[1] Paul Rüthling war Autor mehrerer Bilderbogen. Von ihm stammt auch der Text zu Aus der Reisemappe. (Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 79., Zeichnungen von Paul Konewka), Der Schneider von Ulm. (Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 42., Zeichnungen von Carl Ofterdinger), Die versäumte Audienz (Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 45., Zeichnungen von Ludwig Burger) oder Des Schusterjungen Tageslauf (Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 123., Zeichnungen von Carl Ofterdinger).
[2] In diesem als Sonderfall eingeordneten Bogen von Carl Reinhardt werden verschiedene Einzelbilder von Anglern miteinander kombiniert – ein Zusammenhang besteht einzig in der gewählten Thematik. Sowohl auf narrativer als auch auf bildlicher Ebene werden verschiedene Personen präsentiert, die nur durch den Angelsport verbunden sind. Prototypische Äußerungen des Anglerjargons wie etwa „Herr College! Heute beißen se gar nich – Prosit! ! –“ (Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 94) oder „Gegen die Mücken hilft Rauch.“ (Deutsche Bilderbogen für Jung und Alt Nr. 94) begleiten die teils absurden Bilder. Lediglich das letzte Panel – es nimmt die gesamte Bogenbreite ein – erinnert an ein Metapanel. Somit weist ein sonst nicht-sequenzieller Bogen mehrere Einzelbilder und ein Metapanel auf.