(Zur Panelstrukturvariante hier entlang)
Als der alte Müller starb, vermachte er seinen drei Söhnen seinen Besitz zu ungleichen Teilen. Einer erbte die Mühle, einer den Esel und der Protagonist des Märchens den Hauskater. Betrübt über sein Erbe und die damit einhergehende Armut überlegt er, den Kater zu töten, um aus seinem Fell Handschuhen zu fertigen. Doch der Kater besitzt ein besonderes Talent: Er kann sprechen und bittet seinen neuen Herren um ein paar Schuhe, denn mit Schuhwerk könne er den Burschen zu Reichtum führen. Der pelzige Gefährte zieht sodann in die Welt hinaus und gehört bald zum engeren Kreis des Königs. Tag um Tag häuft er neue Reichtümer an, bringt mit einer List erst einen Zauberer um seinen Besitz und mit einer weiteren überzeugt er den König davon, die Prinzessin mit seinem nun überaus reichen Herren zu vermählen.
Der gestiefelte Kater zählt zu einer Reihe Märchen, die seit 1856/57 nicht mehr Teil der Grimm’schen Kinder- und Hausmärchen sind. Ursprünglich aus Italien stammend und von Perrault übernommen, später von Ludwig Tieck zu einem Drama verarbeitet, fehlt es bei Grimm seit der zweiten Auflage.[1] Der bildlastige (ein Text fehlt) Münchener Bilderbogen Moritz von Schwinds aus dem Jahre 1850 orientiert sich demnach entweder an Perrault oder Tieck. Schwinds Bogen vermischt das Metapanel mit einer deutlichen Panelstruktur, zu finden im oberen Bereich des Blattes. Sie unterscheidet sich nicht nur strukturell vom übrigen Bogen, sondern auch in der Farbgebung, denn der Bereich wurde nicht koloriert. Der bildlastige Bogen entzieht sich der in westlichen Ländern etablierten Leserichtung und der Rezipient folgt den Bildern nun von rechts nach links. Das erste Panel illustriert den verzweifelten Müllerburschen, der sich noch in der Mühle befindet (1). Ein Schuster fertigt dem anthropomorphen Kater Stiefel an (2), dieser begibt sich auf Kaninchenjagd, ein deutlicher Hinweis auf den Märchentext Perraults, denn bei Grimm wurden die Kaninchen durch Rebhühner ausgetauscht.[2] Panel 4 präsentiert den Kater am Hofe des Königs.
Der weitere Verlauf des Bogens basiert auf einer Metapanelstruktur. Der König reitet mit seinem Gefolge auf einem Weg entlang eines Feldes (5), während der Müllersohn in einem See badet und sein Kater die Kleider seines Herren versteckt (6). In Abschnitt 7 bedroht der pelzige Hochstapler die Bauernschaft und zwingt sie, ihren eigentlichen Herren zu Gunsten des Müllersohns zu verleugnen. In der Mitte des Bildes befindet sich das Schloss des Menschenfressers, ein weiteres Indiz für eine Illustration nach Perrault, denn die Brüder Grimm berichten an des Kannibalen Stelle von einem Zauberer.[3] Dieses perspektivisch eher missratene Bauwerk bildet die Szenerie der folgenden zwei Szenen. Der Kater fordert den Menschenfresser dazu auf, seine Gabe zu nutzen und sich selbst in ein Tier zu verwandeln (8) – die Verwandlung ist nicht zu sehen und findet demnach ‚zwischen‘ den Panels statt. Aus Platzgründen wird lediglich die finale Transformation in eine Maus angedeutet, die sich bereits zwischen den Zähnen des Katers wiederfindet (9). Der letzte Bildabschnitt (10) widmet sich erneut dem König und seinem Gefolge. Sie erreichen mit ihrer Kutsche den Vorhof des Schlosses, dessen Besitzer ob des Ablebens des Menschenfressers wechselte. Panelgruppen finden sich nicht im Bilderbogen. Folgende Narrationsgruppen sind vorhanden: Gruppe 1 umfasst Panel (1), Gruppe 2 Panel (2) bis (4), Gruppe 3 die Subpanels (5) bis (9) und Gruppe 4 Subpanel (10).
Schwind nutzt im Rahmen seiner Illustration folgende Induktionsmethoden: (1) → (2) Von Szene zu Szene, (2) → (3) Von Gegenstand zu Gegenstand, (3) → (4) Von Gegenstand zu Gegenstand, (4) → (5) Von Szene zu Szene, (5) → (6) Von Gegenstand zu Gegenstand, (6) → (7) Von Gegenstand zu Gegenstand, (7) → (8) Von Szene zu Szene, (8) → (9) Von Gegenstand zu Gegenstand, (9) → (10) Von Szene zu Szene. Die Illustrationen entsprechen auf der McCloud-Realismusskala dem Bereich 69 – 71, 84, sowie 92 – 94.
Analysetabelle anzeigen …Der gestiefelte Kater. | |
Panel 1 | Bildmittelpunkt (BM): Müllersburche und Kater.
Fokus (F): Müllersburche und Kater. Perspektive (P): Augenhöhe. |
Panel 2 | BM: Schuster und Kater.
F: Schuster und Kater. P: Augenhöhe. |
Panel 3 | BM: Baum.
F: Kater. P: Augenhöhe. |
Panel 4 | BM: Hase.
F:Kater. P: Augenhöhe. |
Hauptpanel / Metapanel | BM: Riese.
F: Riese. P: Establishing Shot. |
Belege:
[1] Grimm, Jacob und Wilhelm: Der gestiefelte Kater. Anmerkungen. In: Kinder- und Hausmärchen. Band 3. S. 521 f.
[2] Vgl. Grimm, Jacob und Wilhelm: Der gestiefelte Kater. In: Kinder- und Hausmärchen. Band 2. S. 454. sowie Perrault, Charles: Meister Kater oder Der gestiefelte Kater. Ein Märchen. Charles Perrault. Sämtliche Märchen. S. 83.
[3] Vgl. Grimm, Jacob und Wilhelm: Der gestiefelte Kater. In: Kinder- und Hausmärchen. Band 2. S. 457.