In den Deutschen Bilderbogen für Jung und Alt lassen sich einige besondere Bogen ausmachen, die in dieser Form nur im Stuttgarter Verlag zu finden sind. Zur Analyse liegen acht dieser Musikbogen vor, die einige strukturelle Besonderheiten aufweisen und den Analyseteil der Panelstrukturen beschließen. Alle Bogen adaptieren Volkslieder; somit erfolgt anstelle der texthistorischen Betrachtung eine musikhistorische.
Im schwarzen Wallfisch zu Askalon, ein weiterer Bogen von Carl August Reinhardt, entwickelt sich die in Grad‘ aus dem Wirthshaus verwendete Einführung des Zeitlichkeitsaspekts weiter. Das Studentenlied von Joseph Victor von Scheffel[1], das um 1854 entstand, findet sich in seiner Liedersammlung Gaudeamus! Lieder aus dem Engeren und Weiteren im Kapitel II. Kulturgeschichtliche. unter dem Titel Altassyrisch. – eine begleitende Partitur fehlt.[2] Der Text des Bilderbogens gleicht größtenteils der Fassung Scheffels, lediglich Details weichen ab. Der Titel Altassyrisch fehlt im Bilderbogen, die erste Zeile einer jeden Strophe beginnt wie folgt: Im schwarzen Wallfisch zu Askalon. Während in Scheffels Original Dattelsaft getrunken wird, labt sich der Bilderbogenprotagonist an Bactrer-Schnaps, weitere Abweichungen lassen sich nur in der Rechtschreibung ausmachen. Besonders die verwendete Partitur überrascht: Sie wurde, der dritten Strophe entsprechend, die von der Verwendung der Keilschrift in diesem Etablissement berichtet,[3] in einer an Keilschrift erinnernde Notationsweise verfasst. Diese Spielerei Scheffels trägt zur erschwerten Rezeption der Partitur bei. Weiterhin wird anstatt eines Violinenschlüssels ein 8va Höhenschlüssel[4] verwendet und die Partitur im 4/4 Takt (Tonart D‑Dur) notiert. Sie entscheidet sich somit von der allgemeinen überlieferten, auf einer Volksweisen basierenden und in 6/8 – Tonart F‑Moll – notierten Fassung.[5]
Eine Besonderheit des Bogens verkörpert die Partitur, denn sie stellt sich als Teil der Bildrealität heraus. Auf zwei Säulen fußend, die links und rechts im ersten Panel zu sehen sind, bildet sie einen Torbogen über dem Schwarzen Wallfisch. Anders als in den zuvor untersuchten Bilderbogen befindet sich der Text folglich nicht direkt unter der Partitur, sondern unter dem Panel selbst und unterteilt es in zwei Bereiche. Auf diese Weise werden zwei Handlungen pro Bild ermöglicht. Jedes Panel bildet zudem einen Teil des Lokals ab: Panel 1 zeigt das gesamte Gebäude in Form eines Walfisches; ein Tor in seiner Mitte lässt den Rezipienten einen Blick in des Wales Bauch werfen. Panel 2 zeigt das Innere des Wals und Panel 3 seine Rückseite. Jedes Panel wird von einer schwarzen Linie umrahmt – Panel 1 und 3 sind zudem an den Ecken nach innen gerundet.
Analysetabelle anzeigen …
Deutsche Bilderbogen Nr. 156: Im schwarzen Wallfisch zu Askalon. | ||
Panel 1 | Text (T):
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon, da kneipt ein Mann drei Tag, Bis daß er steif wie ein Besenstiel am Marmortische lag.“
|
T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon, da sprach der Wirth: Halt an! Der Trinkt von meinem Bactrer-Schnaps, mehr als er zahlen kann.“
|
Bild (B). | Längsschnitt eines Walfischs. Der Mund (rechts) bildet den Eingang, die Augen Fenster. In seiner Mitte findet sich eine Maueröffnung, die Einblick in das Innenleben des Gebäudes gewährt und an dessen Rundbogen die Worte Zum schwarzen Wallfisch in einer keilschriftähnlichen Schriftart eingemeißelt wurden. Links findet sich eine sehr kleine Tür. Vor dem Mund des Wals steht ein schwarzer Diener mit Besen. Umrahmt wird der Fisch von zwei Säulen, auf denen die Partitur ruht. Neben dem Mund findet sich ein Springbrunnen, eine Fontäne deutet an, dass die Rückseite ähnlich aufgebaut wurde.
Im inneren des Wals steht ein Tisch vor einer Säule, ein beleibter Wirt bedient einen sichtlich angetrunkenen Gast. Dieser lehnt am Bogenpfeiler, neben ihm steht ein Regenschirm. |
|
Fokus (F). | Wirt und Gast. | |
Bildmittelpunkt (BM). | Leer (Gewölbe). | |
Perspektive | Augenhöhe. | |
Indmeth. | Von Gegenstand zu Gegenstand. | |
Panel 2 | T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon, da bracht der Kellner Schaar In Keilschrift auf sechs Ziegelstein dem Gast die Rechnung dar.“
|
T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon, da sprach der Gast: O weh! Mein baares Geld ging drauf im Lamm zu Niniveh!“
|
B. | Es wird das innere des Wals abgebildet. Weiterhin lehnt der betrunkene Gast am Bogenpfeiler, neben ihm steht der Regenschirm und auch die Säulen der Partitur befinden sich im Bild. Es treten perspektivische Ungenauigkeiten auf, denn die Säulen stehen dichter beieinander – besonders die rechte Säule wechselte deutlich ihre Position und befindet sich nicht mehr länger hinter, sondern vor dem Mund des Tieres. Der schwarze Diener blickt durch den Eingang, die Kellner bringen dem betrunkenen Gast die Rechnung auf fünf Ziegelsteinen, der Wirt steht neben ihnen. | |
F. | Kellner. | |
BM. | Kellner. | |
P. | Augenhöhe. | |
Indmeth. | Von Gegenstand zu Gegenstand. Ebenfalls möglich: Von Szene zu Szene. | |
Panel 3 | T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon, da schlug die Uhr halb vier, Da warf der Hausknecht aus Nubierland den Fremden vor die Thür.“
|
T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon wird kein Prophet geehrt, Und wer vergnügt dort leben will, zahlt baar, was er verzehrt.“
|
B. | Die Rückseite des Wals wird abgebildet. Links und rechts finden sich weiterhin Säulen, ihre Größe variiert erneut. Es rückt nun der Mund des Fisches (links) in den Vordergrund, denn durch ihn wird der betrunkene Gast mittels eines Fußtritts hinausbefördert und von den erbosten Kellnern mit den Rechnungsziegeln beworfen. Dass sich der Springbrunnen auch auf der anderen Walseite findet (vgl. Panel 1), wird bestätigt. | |
F. | Betrunkener Gast. | |
BM. | Kellner | |
P. | Augenhöhe. |
Das erste Panel verbindet geschickt die ersten beiden Strophen miteinander. Während im linken Bildabschnitt der betrunkene Gast neben dem Marmortisch liegt (Strophe 1), spricht ihn der Wirth in der zweiten Bildhälfte an (Strophe 2). Rezipiert man den Bogen dem Text entsprechend, wirken sich Bild und Text aufeinander aus, d. h. was der Text beschreibt, ist auch im Bild zu sehen. Strophe 2 bricht mit diesem Rezeptionsablauf: Dem Gast wird, dem Text entsprechend, die Rechnung dargeboten (linke Bildhälfte, Strophe 3), die vierte Strophe referenziert auf ihn, der Blick des Rezipienten liegt aber im rechten Teil des Bildes und zeigt demnach lediglich die Reaktion des Wirts, der mit einer Handbewegung den schwarzen Diener zu sich lockt. Dieser Bildteil zeigt eine Handlung, die mittels des begleitenden Textes erweitert wird. Eine Doppelung von Text und Bild, wie in Panel 1 sowie im ersten Teil von Panel 2, entfällt. Das Verhältnis von Text und Bild wandelt sich zu einer Überschneidung, d. h. ein Teil der Handlung wird durch das Bild (Wirth bittet den Diener zu sich), ein anderer durch den Text vermittelt (der betrunkene Mann spricht und gesteht, bereits in einem anderen Etablissement sein Geld ausgegeben zu haben).
Im dritten Panel wird dieses Verhältnis beibehalten: Der Hausknecht / Diener wirft den betrunkenen Gast mit Hilfe seines Besens aus dem Schwarzen Wallfisch, die Uhrzeit erfährt man aus dem Begleittext. Dieser teilt ferner mit (rechte Bildhälfte), dass jeder Mensch zu zahlen habe. Das beigefügte Bild zeigt hingegen erboste Kellner – sie bewerfen den zahlungsunfähigen Gast mit steinernen Rechnungen, was einer Verschränkung / Korrelation entspricht.
Im Gegensatz zu Schneiders Höllenfahrt lässt sich der Bogen musikalisch rezipieren. Der Text wird deutlich einem Teil des jeweiligen Panels zugeordnet und muss nicht erst auf dem Bild gefunden werden. Musik und Bild greifen ineinander über. Wie in Reinhardts Grad‘ aus dem Wirthshaus lässt sich auch hier eine gewisse, wenn auch deutlich eingeschränktere, kinematografische Wirkung ausmachen. Das Bild begleitet nicht nur den Text, es erweitert ihn sogar. Der Rezipient / Musiker folgt nun aber nicht einer einzigen Strophe pro Panel, sondern gleich zweien; der textliche Informationsgehalt übersteigt demnach die Wirkungskraft eines Panels.
Panelgruppen im eigentlichen Sinne finden sich hier nicht. Jedoch könnten die einzelnen Panels als solche betrachtet werden – es gäbe demnach drei von ihnen –, denn die Eigenheit, ein Bild mittels Strophentext in zwei Bereiche zu teilen, erinnert an den Grundsatz der Panelgruppen. D. h. ein Panel zeigt demnach zwei zusammengehörige Bewegungsinstanzen. Das Lied wurde so aufgeteilt, dass zwei Strophen in jeweils einem Panel finden – darüber hinaus stehen die rechten und linken Textblöcke in einem Sinnzusammenhang – sie ergänzen einander. Folgt man dieser Theorie, so zeigt der Bilderbogen drei Panelgruppen, die aus jeweils einem Bild bestehen. Weiterhin lassen sich zwei Narrationsgruppen bestimmen: Panel 1 und 2 (Gruppe 1: Der Gast betrinkt sich) und Panel 3 (Gruppe 2: Der Gast wird des Hauses verwiesen). Der Stil des Bogens entspricht laut der McCloud-Realismusskala dem Bereich 44 bis 51 sowie 60 bis 64.
Eine kuriose Adaption von Im schwarzen Wallfisch zu Askalon lässt sich in den Neuruppiner Bilderbogen Gustav Kühns bestimmen. Der nicht datierte und / oder nummerierte Bogen (Eckart Sackmann schätzt ihn auf die Zeit zwischen 1900 und 1905 und nennt die Nummer 9625)[6] verwendet zwar keine beigefügte Partitur, man geht folglich davon aus, dass die Melodie dem Rezipienten bekannt ist, muss aber ob seiner bildlichen Deckungsgleichheit mit dem Deutschen Bilderbogen Nr. 156 erwähnt werden. Im direkten Vergleich erscheint er wie eine Vorskizze, ein wenig glamouröser Zwilling, der entweder den Stil des Reinhardt’schen Bogens ungelenk zu imitieren versucht, denn auch er verwendet drei Panels, die unter Zuhilfenahme des Liedtextes in jeweils zwei Bereiche unterteilt werden. Die tabellarische Analyse zeigt weitere Übereinstimmungen:
Analysetabelle anzeigen …Neuruppiner Bilderbogen Nr. 9625, Gustav Kühn: Im schwarzen Wallfisch zu Askalon. |
|||
Panel 1 | T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon Da trank ein Mann drei Tag, Bis daß er, steif wie ein Besenstiel, Am Marmortische lag.“ |
T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon Da sprach der Wirt: ‚Halt an! Der trinkt von meinem Baktrerschnaps Mehr, als er zahlen kann!‘“ |
|
Bild (B): | Strukturell identisch zum Bogen Reinhardts.
Anstelle des Wals befindet sich das Lokal in einem normalen Gebäude, an dessen Tür in einem Keilschriftimitat (vgl. Reinhardt): „Zum schwarzen Wallfisch“ zu lesen ist. Der Gast, hier deutlich jünger, aber mit ähnlichen Gewändern, lehnt ebenfalls am Gewölbe und trinkt. Am Bogen hängt ein Regenschirm. Mitten im Raum steht ein runder Tisch (vgl. Reinhardt); der Wirt steht rechts vom Tisch und hält – wie im Deutschen Bilderbogen – eine Pfeife in der Hand; auch er trägt die bereits bekannten Gewänder. Mit der rechten Hand hält er eine Flasche Baktrerschnaps. Eine Katze sitzt hinter dem Gast. Rechts im Raum befinden sich Fässer und Flaschen. |
||
Fokus (F): | Baktrerschnapsflasche. | ||
Bildmittelpunkt (BM): | Wirt. | ||
Perspektive (P): | Augenhöhe. | ||
Indmeth: | Von Gegenstand zu Gegenstand. (Katze: Von Handlung zu Handlung) | ||
Panel 2 | T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon Da beut der Kellner Schaar In Keilschrift auf sechs Ziegelstein’n Dem Gast die Rechnung dar.“
|
T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon Da sprach der Gast: ‚O weh! Mein baares Geld ging alles drauf Im Lamm zu Niniveh!‘“ |
|
B: | Strukturell identisch zum Bogen Reinhardts.
Der Gast lehnt immer noch am Bogenpfeiler, auch der Schirm hängt am selben Platz. Die Katze schleicht hinfort. Wo zuvor der Wirt stand, befinden sich nun fünf Kellner mit Steintafeln, auf denen sich – in Keilschrift verfasst – die Rechnung findet. Hinter ihnen steht ein aufgebrachter Hausknecht mit Besen; der Wirt lehnt an der Wand und beobachtet seine Angestellten, weist mit einer Hand gen Tür. |
||
F: | Rechnungen. | ||
BM: | Leer (Wand). | ||
P: | Augenhöhe. | ||
Indmeth: | Von Gegenstand zu Gegenstand. | ||
Panel 3 | T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon Da schlug die Uhr halb vier, Da warf der Hausknecht aus Nubierland Den Fremden vor die Thür.“ |
T:
„Im schwarzen Wallfisch zu Askalon Wird kein Prophet geehrt, Und wer vergnügt dort leben will, Zahlt baar, was er verzehrt.“ |
|
B: | Strukturell identisch zum Bogen Reinhardts, hier jedoch spiegelverkehrt.
Es ist 3:30 Uhr am Morgen. Der Wirt betrachtet den Regenschirm, den er nun in der Hand hält, während der Hausknecht den Gast mit einem Tritt aus dem Lokal wirft. Die Katze flieht; der Gast wird mit dem Besen beworfen, die Kellner schauen aus dem Fenster und werfen ebenfalls Gegenstände (Steintafeln) nach dem zechprellenden Gast. |
||
F: | Regenschirm. | Getretener Zechpreller. | |
BM: | Eingang des schwarzen Wallfischs, daher zwei Panels. | ||
Wirt. | Gast. | ||
P: | Augenhöhe. | ||
Die Hauptunterschiede zwischen dem Reinhardt‘schen und dem Neuruppiner Bilderbogen fallen – wird die Form des Gebäudes ignoriert – gering aus. Im ersten Panel ist nun eine Katze zu sehen, die Position des Regenschirms hat sich verändert, der Wirt hält die Baktrerschnapsflasche in der Hand und hinter ihm befinden sich Fässer. Weiterhin tritt der Hausknecht noch nicht in Erscheinung. Panel 2 zeigt nur eine Katze als zusätzliches Element. Dennoch nimmt der Wirt eine andere Position ein und anstelle zweier Nubier tritt nur einer in Erscheinung. Der Bildinhalt offenbart einen gewissen Dilettantismus im Umgang mit perspektivischer Einheitlichkeit und einem kohärenten Bildaufbau, denn obschon Panel 1 eine genaue räumliche Darstellung festlegt, wird der Raum nun erheblich erweitert. Die Tür befindet sich weiterhin rechts im Bild, neben ihr sind nun keine Fässer und Flaschen mehr zu erkennen. Panel 3 unterstreicht diesen Eindruck: Hinter dem Tisch hängt nun eine Uhr – der Raum wirkt darüber hinaus deutlich kürzer. Im dritten Panel lassen sich die meisten Abweichungen finden. Wie bereits erwähnt wurde eine Uhr abgebildet, die auf die im Lied referenzierte zeitlichen Angaben hinweist. Die größte Abweichung der Bilderbogen lässt sich aber im gespiegelten Bildaufbau nachweisen, denn was bei Reinhardt links war, befindet sich nun rechts. Folglich bleibt zumindest in diesem Aspekt die Einheitlichkeit der Bildfolge gewahrt und der Neuruppiner Bilderbogen richtet sich explizit nach der Leserichtung des Rezipienten. Der Wirt steht nun – wie auch seine Angestellten – nicht außen vor dem Lokal, sondern in ihm und er betrachtet, leicht verwundert, den Regenschirm. Die rechte Bildhälfte entspricht jedoch dem bereits untersuchten Bogen: Der Nubier tritt den Gast und wirft ihn aus dem Gasthaus (bei Reinhardt nutzt er für dieselbe Tätigkeit einen Besen). Körperhaltung und Position gleichen dem Deutschen Bilderbogen Nr. 156 im Detail.
Eine Besonderheit des dritten Panels zeigt sich in seiner nicht nur textlichen sondern auch in der Bildrealität verhafteten Wand. Eine fixierten Trennung des Bildes in zwei Bereiche: Der Innenraum des Walfischs und der Außenbereich. Diese Darstellungsweise erinnert an Buschs Die feindlichen Nachbarn oder: Die Folgen der Musik [7] und erfordert die Verwendung zweier Fokusse und Bildmittelpunkte, nicht aber zweier Induktionsmethoden, da das betreffende Panel den Bilderbogen abschließt. Die Induktionsmethoden wurden absehbar verwendet und die Übergänge erfolgen Von Gegenstand zu Gegenstand, d. h. die Handlung baut aufeinander auf, wechselnde Gegenstände werden in einer einheitlichen Szene verwendet.
Wie auch im Deutschen Bilderbogen Nr. 156 entsprechen die Panelgruppen den jeweiligen Panels – es sind demnach zwei Gruppen mit jeweils zwei Bewegungsinhalten vorhanden, lediglich Panel 3 weicht ob seiner besonderen Struktur ab, denn die Tür des Schwarzen Wallfisch lässt keine Bewegungsinterpretation zu. Auch die Narrationsgruppen entsprechen dem Reinhardt’schen Bogen: Gruppe 1 besteht aus Panel 1 und 2 (Gast betrinkt sich), Gruppe 3 aus Panel 3.1 und 3.2 (Der Gast wird des Hauses verwiesen). Auf der McCloud-Realismusskala entsprechen auch hier die Zeichnungen dem Bereich 44 bis 51 sowie 60 bis 64.
Untersucht man nun bildästhetische Unterschiede zwischen den Bogen, wirkt der Deutsche Bilderbogen Nr. 156 künstlerisch anspruchsvoller, was durch detaillierte Zeichnungen, einer fantasievolleren bildlichen Darstellung des Liedtextes und einer größeren Individualität innerhalb der jeweiligen Bilderbogenserie gestützt wird. Die Verwendung einer Partitur weist auf die Fähigkeit des Rezipienten hin, Noten lesen zu können und richtet sich demnach an ein gebildeteres Publikum. Der Neuruppiner Bilderbogen muss aber auch aus einem anderen Grund hervorgehoben werden: Die fehlende Partitur bei struktureller und inhaltlicher Übereinstimmung zu einem anderen Bogen (Deutscher Bilderbogen Nr. 156) könnte darauf hinweisen, dass auch jene nicht explizit mit Noten versehene Exemplare gesungen rezipiert wurden und somit auch in ihnen die Zeitlichkeit eine größere Rolle spielt, als in anderen, nicht gesungenen Bilderbogen.
Bei den Musikbilderbogen der Deutschen Bilderbogen für Jung und Alt handelt es sich, wie die Analyse zeigt, um einen bemerkenswerten Sonderfall, denn sobald die Rezeptionsgeschwindigkeit nicht mehr länger nur einem Text unterliegt, sondern durch eine Partitur beeinflusst wird, die zur Rezeption während des gemeinschaftlichen Singens auffordert, spielt Zeit neben der Räumlichkeit eine größere Rolle als in anderen Bilderbogen. Die Analyse weist auf zwei Arten des Musikbilderbogens hin. Musikbilderbogen Typ 1 weist eine Partitur auf, die in ein Panel eingefügt wird oder gesondert steht – weitere Strophen müssen dem Text zugeordnet werden. Zu ihm gehören Lob der edlen Musica, Bruder Straubinger, Schneider's Höllenfahrt, ’S war ’mal eine kleine Mann, Die Hussiten zogen vor Naumburg. Typ 2 beschreibt eine Partitur in Panel 1/2, weitere Strophen werden direkt unter das jeweilige Panel gedruckt und teilen ein Panel mit Bogenbreite in weitere Teilbereiche ein. Zu diesem Typ gehören Grad‘ aus dem Wirtshaus, Im schwarzen Wallfische zu Askalon und Hildebrand und Hadubrand. Zwei der drei Bogen wurden von Carl Ludwig Reinhardt geschaffen, dessen Stil sich deutlich weiterentwickelt und mit Lob der edlen Musica den Partiturbogen erfand, ein weiterer stammt aus der Feder Paul Konewkas und zeigt sich deutlich von ersterem beeinflusst.
Belege:
[1] Scheffel ist heute vor allem als Autor von Ekkehard. Eine Geschichte aus dem 10. Jahrhundert bekannt, einem historischen Roman, der auf dem lateinischen Waltharius-Lied basiert und bis zum Tod des Autors 90 Auflagen nach sich zog. Vgl. [Art.] Joseph Victor von Scheffel. In: Kindlers Literatur Lexikon. 3., völlig neu bearbeitete Auflage. Band 14. Hrsg. von Heinz Ludwig Arnold. Stuttgart 2009. S. 478 – 480.
[2] Scheffel, Joseph Victor: Altassyrisch. In: Joseph Victor von Scheffels sämtliche Werke. Mit acht Kunstbeilagen nach Gemälden von E. Grützner, A. Liezenmayer, Anton von Werner u. a., einer Karte und drei Handschriften. Leipzig 1916 (=Band 4; Gaudeamus). http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/scheffel_sw4/0026 [konsultiert am 27.04.2017].
[3] Vgl. Deutsche Bilderbogen Nr. 156: Im schwarzen Wallfisch zu Askalon.
[4] Der 8va-Höhenschlüssel beschreibt eine Oktavierung nach unten hin, d. h. die Noten werden eine Oktave tiefer interpretiert und weisen auf Tenorstimmen hin.
[5] Vgl. Scheffel Scheffel, Joseph Victor u. Volksweise: Im schwarzen Walfisch zu Askalon. https://archive.org/details/imslp-schwarzen-walfisch-zu-askalon-folk-songs-german [konsultiert am 10.04.2016].
Andere Partituren notieren in 6/4, Tonart G‑Dur. Vgl. Scheffel, Josef Viktor: Im schwarzen Wallfisch. Altassysrisch. KV-Liederbuch Seite 131. https://www.markomannenwiki.de/index.php?title=Im_schwarzen_Walfisch_zu_Askalon [konsultiert am 31.07.2018].
[6] Vgl. Sackmann, Eckart: Neuruppiner Bilderbogen.
[7] Vgl. Die feindlichen Nachbarn oder: Die Folgen der Musik.